zu “Weltbild”

“Er war in der Welt, und die Welt wurde durch ihn, und die Welt kannte ihn nicht.” (Johannes 1,10)

Der Begriff “Welt” wird in der Bibel in verschiedenem Sinne verwendet. Die Welt als Gottes gute Schöpfung hat nichts Widergöttliches an sich. Sie ist Gottes Geschenk, das wir mit Dankbarkeit annehmen und zum Lob Gottes für seine herrliche Schöpfung führt. Deswegen haben wir auch Freude an den vielen Schönheiten, die wir immer wieder erleben dürfen, sei es eine Frühlingsblume, eine felsige Schlucht, ein Sonnenuntergang, eine sternklare Nacht … Die gnostische Idee einer bösen Schöpfung weisen wir entschieden zurück.

Im Neuen Testament wird der Begriff “Welt” aber auch im negativen Sinne verwendet und dient zur Umschreibung der Menschen, die sich durch eine freie, eigenverantwortliche Entscheidung gegen Gott gestellt haben. Es ist völlig klar, daß sich ein Christ von dieser “Welt” nur abgrenzen kann. Als Jünger Jesu sind wir nicht von “dieser Welt”, wie auch Jesus nicht von dieser Welt ist (Johannes 17,14.17).

Deshalb gilt für uns 1. Johannes 2,15-17:

Liebt nicht die Welt noch was in der Welt ist! Wenn jemand die Welt liebt, ist die Liebe des Vaters nicht in ihm; denn alles, was in der Welt ist, die Lust des Fleisches und die Lust der Augen und der Hochmut des Lebens, ist nicht vom Vater, sondern ist von der Welt. Und die Welt vergeht und ihre Lust; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit.

Trotzdem fliehen wir nicht von der Welt. Wir leben in der Welt, in die uns Jesus gesandt hat (Joh 17,18). Eine Weltflucht, wie wir sie an Beispielen sogenannter Heiliger verschiedenster Zeiten finden, ist uns völlig fern. Wir ziehen uns weder in die Wüste noch hinter dicke Klostermauern zurück. Keiner von uns würde ein Schweigegebot wie bei den Trappisten akzeptieren. Auch die Säulen der Säulenheiligen werden wir nicht besteigen.

Jesus hat seine Jünger zum Licht der Welt, zur Stadt auf dem Berge berufen (Mt 5,14-16). Gerade dadurch, daß wir uns nicht den Maßstäben dieser Welt anpassen (Röm 12,2) können wir leuchten und die Menschen zu einem Leben führen, das durch seine guten Taten Gott preist.

Wir leben in der Welt, die meisten von uns arbeiten in einem Beruf, in dem wir unser Bestes geben wollen, der aber nicht unsere Berufung ist, die in der Hingabe an Gott besteht.

“Die ganze Welt liegt im Bösen” schreibt Johannes (1. Joh 5,18). Das heißt aber nicht, daß wir uns unserer Verantwortung für die Welt entziehen. Einem politischen Einsatz sind allerdings enge Grenzen gesetzt, einerseits, weil das nicht unsere Hauptaufgabe ist, andererseits weil alle politischen Kräfte so weit von allen Mindestmaßstäben menschlicher Moral entfernt sind, daß eine Zusammenarbeit mit ihnen von vornherein ausgeschlossen ist.

Es gäbe viel zu tun in einer Welt, in der es als Menschenrecht angesehen wird, sein eigenes Kind im Mutterleib ermorden zu dürfen, in einer Welt, die von Gerechtigkeit spricht und die Armen unterdrückt, in einer Welt, die im Namen von ausgeglichenen Budgets ständig Sozialabbau betreibt, dabei aber die Reichen nicht nur ungeschoren läßt sondern deren Reichtum noch fördert (besonders durch sogenannte “christliche” Parteien), in einer Welt, die von Humanität und Fremdenfreundlichkeit schwärmt, zugleich aber immer fremdenfeindlichere Gesetze erläßt, die rechtlose Flüchtlinge in den Hände geldgieriger Schlepper und oft auch in den Tod treibt, kurz: in einer Welt, die gelernt hat, extremste Grausamkeit durch schönfärberische Worte zu tarnen.

Wir schweigen nicht zu diesen Ungerechtigkeiten. Aber Gott hat die Jünger Jesu berufen, der Welt das Beste zu geben, was es gibt: das Evangelium, das ewige Leben in der Nachfolge Jesu. Dort wo Menschen Jesus nachfolgen, wird Wirklichkeit, was Gottes Wille für diese Welt ist: ein Zusammenleben in Liebe und Gerechtigkeit, ohne Xenophobie (Fremdenfeindlichkeit) und voller Vertrauen. Wir freuen uns, daß wir trotz aller unserer Sünden dieses Wirken Gottes in unserer Gemeinschaft erfahren dürfen.

Die Welt ist nicht die “schwarze Folie, vor der unser Konzept um so heller strahlt”. Gottes Licht braucht nicht den Schatten, um als Licht erkannt zu werden. Das Gute ist gut, weil es gut ist und nicht abhängig vom Bösen. Nur das Böse muß sich ständig als Gutes ausgeben, da es in sich keinen Bestand hätte.

Herr Kluge hat recht, daß wir uns als die aus dieser Welt Herausgerufenen verstehen. Das trifft auf jeden Christen zu. Wir sind berufene Heilige (Röm 1,7; 1. Kor 1,2) in dieser Welt, aber nicht von dieser Welt (Joh 17,11.16). Wer meint, er sei nicht aus dieser Welt herausgerufen, gibt zu, daß er kein Jünger Jesu, kein Christ ist.

Daß “die negativen Erscheinungen durch die Sünde verursacht werden”, ist nicht nur unsere Meinung, sondern auch die des Paulus:

(Römer 5,12): “Darum, wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod und so der Tod zu allen Menschen durchgedrungen ist, weil sie alle gesündigt haben …”

Wir wollen uns gewiß vor zu primitiven Vorstellungen hüten. (Die Säbelzahntiger waren keine Vegetarier. Den biologischen Tod gab es im Tierreich von Anfang an, lange vor der ersten Sünde.) Aber wir wissen, daß die erste Sünde einen wesentlichen Einschnitt in der Beziehung zwischen Gott und Mensch darstellte, und daß nach dem Sündenfall der Mensch in einer schlechteren Ausgangsposition ist als vorher, daß oft das Schlechte leichter fällt als das Gute. Wir lehnen aber das Erbsündenverständnis ab, das diese negative Folge als Sünde bezeichnet. Diese in unterschiedlicher Betonung von fast der gesamten Tradition seit Augustinus vertretene Lehre weisen wir als unbiblisch und gottlos zurück.

Jedes Nachdenken über eine Welt ohne Sünde trägt einen spekulativen Charakter an sich. Wir denken aber, daß Gott in seiner Gnade den ungefallenen Menschen vor Krankheit und Behinderungen bewahrt hätte. Wir sind nicht die ersten, die so denken. Das ist auch die Überzeugung anderer. “Weil in der Welt die Sünde herrscht, hat auch die Krankheit Raum, macht der Tod das Wesen der Sünde sichtbar.” (Lexikon für Theologie und Kirche, 6. Band 1977, Sp. 428)

Zu Herrn Kluges Kritik “Mitunter werden sogar körperliche oder geistige Behinderungen als Strafe Gottes ausgelegt” sei folgendes festgehalten:

Was den Zusammenhang zwischen konkreter Sünde und konkreter Krankheit betrifft, müssen wir sehr vorsichtig sein. Das Buch Ijob (=Hiob) lehrt uns, daß der automatische Schluß von Krankheit auf Sünde nicht zulässig ist.

Auch Jesu Worte in Johannes 9,3 sind klar:

“Weder dieser hat gesündigt, noch seine Eltern, sondern damit die Werke Gottes an ihm offenbart würden.”

Jesus spricht hier zwar nur von einem Fall, zeigt damit aber, daß das Denken, das in der Frage der Jünger sichtbar wird, falsch ist.

Natürlich gibt es in vielen Fällen offensichtliche Zusammenhänge zwischen Sünde und Krankheit, die einfach im Wesen der betreffenden Sünde liegen. Ein Raucher braucht sich nicht über seinen Lungenkrebs zu wundern und auch die gesundheitlichen Folgen des Alkohol- oder Drogenkonsums sind hinlänglich bekannt.

In 1. Korinther 11,30 bezeichnet Paulus Krankheiten und Todesfälle als Folgen von Sünden. Doch geht es hier nicht darum, daß die einzelnen Kranken die schlimmsten Sünder waren. Die Gemeinde war durch ihr Sündigen auf ein Niveau abgerutscht, das schon sehr nahe dem der Welt war, so daß Gott sie nicht mehr vor vielen Gefahren bewahren konnte. Es waren die anfälligsten, die von der Krankheit betroffen waren, nicht die schlimmsten Sünder. Dem Blutschänder von 1. Korinther 5 scheint nichts passiert zu sein.

Wir lehnen auch die Deutung von 1. Kor 5,5 ab, daß das Verderben des Fleisches körperlichen Schaden durch Krankheit oder gar Tod meint, sondern verstehen die Stelle so, daß die fleischliche Gesinnung, die Sünde des Ausgeschlossenen, verderben soll.

Mitunter kennt die Bibel Krankheiten und sogar Tod als Strafe (Apg 13,11; 5,1-11). Aber wir sehen diese Stellen als Ausnahmen an.

Es sei in diesem Zusammenhang auch festgehalten, daß eine überdurchschnittlich hohe Anzahl von Geschwistern beruflich im Dienst an Kranken und Behinderten tätig ist.

Wir wollen unsere Augen nicht verschließen vor dem Positiven, das es außerhalb unserer Gemeinschaft gibt. Es ist aber auch schmerzlich, zu beobachten, wie sehr das Gute oft mit falschen Lehren verbunden ist. Wir lehnen aber aufs entschiedenste die protestantische Lehre von der totalen Verderbtheit des Menschen nach dem Sündenfall ab, als ob der Mensch ohne Gott nichts Gutes tun könne.

Was die kritische Betrachtung der eigenen Lehre und Forschung betrifft, sind wir uns unserer eigenen Mängel bewußt. Wir wissen, daß viele ein viel gründlicheres Wissen als wir haben, und wir sind dankbar dafür, daß wir von anderen lernen dürfen. Wir wollen uns von jeder Betriebsblindheit hüten. Andererseits gibt es auch bei Menschen, die uns wissensmäßig überlegen sind, immer wieder ganz grundsätzliche Denkfehler, die auch einfache Menschen durchschauen können.

Wir müssen auch klar unterscheiden zwischen Grundlehren, an denen auf keinen Fall gerüttelt werden darf und Detailfragen, in denen wir oft noch keine klare Erkenntnis haben. Durch intensive Beschäftigung mit der Bibel können wir immer mehr lernen und auch eigene Denkfehler durchschauen. Wir erwarten von anderen, daß sie offen sind für unsere Kritik und wollen uns daher auch selber nicht gegen Argumente versperren.

Zur “Re-Definition” von Begriffen gibt Herr Kluge zu, daß es sich im von ihm angeführten Beispiel um einen Einzelfall handelt, der uns aber nicht bekannt ist. Auch wir verstehen das Wort “unmenschlich” als negativ. Allerdings gibt es Unterschiede im Bedeutungsinhalt des Wortes “unmenschlich”.

Es ist nicht unmenschlich, dem eigenen Gewissen und dem, was jemand als Gottes Willen erkennt, zu folgen und die Gemeinschaft mit Geschwistern im Herrn der Gemeinschaft mit der eigenen Familie vorzuziehen.

Es ist aber unmenschlich, wenn Eltern ihre eigenen Kinder mit Giftstoffen betäuben, entführen, in der Wohnung einsperren, an den Heizkörper fesseln, die Dokumente wegnehmen, widerrechtlich entmündigen lassen, monatelang wider deren Willen hinter Klostermauern festhalten… All das ist Geschwistern aus unserer Gemeinschaft im 20. Jahrhundert widerfahren. Weitere Verbrechen gegen Christen im Namen des Christentums sind in den Geschichtsbüchern nachzulesen.

Toleranz ist ein wichtiger Grundsatz jeder menschlichen Gesellschaft, eine Tugend, die uns gerade von unseren Gegnern oft nicht gewährt wird. “Soll die Gemeinschaft bestehen und gedeihen können, ist Toleranz, d.h. Duldung (lat. tolerare = dulden), in gewissem Ausmaß notwendig.” (K. Hörmann, Lexikon der christlichen Moral, 1969, Sp. 1221)

Toleranz heißt, daß jeder das Recht hat, zu denken und zu glauben, was er will. Toleranz heißt aber nicht, daß alles richtig ist. Es gibt nur eine Wahrheit. Aber diese Wahrheit muß in Freiheit erkannt und ergriffen werden. Der katholische Grundsatz, “daß nur die Wahrheit, nicht der Irrtum ein Daseinsrecht hat” (Hörmann, Sp. 1221), hat unzähligen Menschen Freiheit, Heimat, Gesundheit oder Leben gekostet. Die Wahrheit hat es nicht not, mit Gewalt verbreitet oder verteidigt zu werden. Wer zum Argument der Gewalt greift, wie es gerade die großen “Kirchen” immer wieder getan haben, zeigt, daß er die Wahrheit nicht hat. Die eine Wahrheit spricht für sich selbst und braucht die Konkurrenz des Irrtums oder von Pseudowahrheiten nicht zu fürchten.

In der Welt muß es Toleranz geben. Jeder hat das Recht, zu denken und glauben, was er will. Wenn sich aber jemand als Christ bezeichnet, dann hat er sich entschieden, der Lehre Jesu zu folgen. Wenn er anderes glauben will, so ist das seine freie Entscheidung. Aber er soll es nicht Christentum nennen. Die Gemeinde Gottes ist kein Allerweltsverein, sondern die Säule und Grundfeste der Wahrheit (1. Tim 3,15). Irrlehren haben daher in der Gemeinde keinen Platz. Aber jeder Irrlehrer hat weiterhin vollen Anspruch auf alle seine bürgerlichen Rechte.

Es ist hier auch klar zu unterscheiden zwischen Irrtum und Irrlehre. Wer unwissentlich irrt, ist für Argumente offen und freut sich, aus dem Irrtum herauskommen zu können. Hier ist auch viel Geduld notwendig, einander in der Erkenntnis der Wahrheit zu stärken. Wer aber bewußt im Gegensatz zur Lehre der Apostel steht, darf in der Gemeinde nicht geduldet werden bei allem Respekt vor seiner Würde als Mensch.

Jeder Christ hat die große Geduld Gottes erfahren und erfährt sie immer wieder. Wir sind dazu herausgefordert, einander geduldig zu ertragen. Andererseits müssen wir uns aber auch der Dringlichkeit des Rufes Jesu bewußt sein. Es ist nicht möglich, die Bekehrung auf die lange Bank zu schieben. Auch wenn es die meisten nicht wahrhaben wollen: Es gibt ein “zu spät”.

“Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht …” (Hebräer 3,7-8; im größeren Zusammenhang zu lesen)

Wer sich dem Ruf Gottes immer wieder verweigert, wird dadurch so geprägt, daß er sich eines Tages nicht mehr verändern kann.

Eine Naherwartung des baldigen Weltendes gab es in unserer Gemeinschaft nie. Ganz im Gegenteil: Diese Frage war eine der ersten Streitfragen in der Auseinandersetzung mit fundamentalistisch-freikirchlichen Gruppierungen. Wir lehnen diese egozentrische Weltsicht (“unsere Zeit muß etwas besonderes sein”) entschieden ab. Rätselhaft bleibt, welche Aussagen von Geschwistern so falsch interpretiert werden konnten. Oder wollte uns hier Herr Kluge nur in eine Schublade stecken, von der er erst später merkte, daß wir nicht hineinpassen?

Da wir Menschen aus dem Irrtum des Weltuntergangswahns herausholen wollen, haben wir uns auch mit der “Naherwartung” wiederholt eingehend beschäftigt. Da Herr Kluge den Vorwurf der Naherwartung zurückgezogen hat, ist hier aber nicht der Platz für eine eingehendere Behandlung dieses Themas.