zu “Gemeindebild”

“So seid ihr nicht mehr Fremde und Nichtbürger, sondern ihr seid Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.” (Epheser 2,19)

Herr Kluge hat eine Reihe von Kriterien aufgelistet, auf die wir im Detail eingehen wollen.

Leider ist ihm das wichtigste Kriterium entgangen: Die Wahrheit und die Lehre.

Paulus nennt die Gemeinde des lebendigen Gottes, den “Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit” (1. Tim 3,15). Deswegen ist die erste Frage immer die nach der Lehre. Wer offen unbiblische Lehren vertritt, baut nicht auf der Grundfeste der Wahrheit auf und kann daher nicht in der Gemeinde sein. So hatten die Leugner der leiblichen Auferstehung Hymenäus und Philetus keinen Raum in der Kirche (2. Tim 2,17-18 // 1. Tim 1,20). Ein Blick auf die heutige Kirchenlandschaft zeigt ein weites Spektrum verschiedenster oft einander und vor allem der Bibel widersprechender Lehren in allen großen Konfessionen. Von Einheit in der Lehre und von Einheit mit der Schrift keine Spur! Wie können diese Organisationen Gemeinden, d.h. Grundfesten der Wahrheit sein?

Die fehlende Basis in der Wahrheit führt auch zu entsprechenden Konsequenzen im Leben. Christliches Gemeindeleben ist nur auf der Basis der christlichen Lehre möglich.

Doch nun zu den von Herrn Kluge angeführten Kriterien:

a) Der Begriff “engagierter Christ” ist eine Tautologie (einen Sachverhalt doppelt wiedergebende Fügung, z. B.: weißer Schimmel, alter Greis). Wer nicht bereit ist, sich einzusetzen, ist kein “nicht engagierter” Christ, sondern kein Christ. Gemeinde ist die Gemeinschaft ALLER Christen. Jeder der Jesus nachfolgt, gehört zur Gemeinde, jeder der Jesus nicht nachfolgt, gehört nicht zur Gemeinde.

b) “Keine Amtsträger”

Das Wesen der Gemeinde liegt nicht in einer hierarchischen Struktur (wie es die röm.-kath. Organisation dogmatisch festgelegt hat), sondern in der geschwisterlichen Gemeinschaft:

“Ihr aber, laßt ihr euch nicht Rabbi nennen; denn einer ist euer Lehrer, ihr alle aber seid Brüder. Ihr sollt auch nicht jemanden auf der Erde euren Vater nennen; denn einer ist euer Vater, nämlich der im Himmel. Laßt euch auch nicht Meister nennen; denn einer ist euer Meister, der Christus.” (Matthäus 23,8-10)

Jesus hat hier die Titel oder Anreden “Hochwürden”, “Monsignore”, “Kanonikus”, “Kardinal”, “Eminenz”, “Exzellenz” und “Eure Heiligkeit” nicht angeführt. Hätte er es getan, so wären der Eitelkeit sogenannter christlicher Führer gewiß noch einige andere eingefallen. Aber immerhin hat man es gewagt, “Amtsträger” als “Vater” (Pater) oder sogar “Heiliger Vater” zu bezeichnen. Die das tun, haben lange genug Theologie studiert, um zu ergründen, daß es ja gerade das war, was Jesus wollte. Oder?

Nach dem abschreckenden Beispiel, das uns vor allem die katholische Hierarchie gibt, wollen wir uns wieder der biblischen Wirklichkeit der brüderlichen Gemeinde zuwenden.

Brüderliche Gemeinde heißt nicht, daß alle die selben Aufgaben haben. Es gibt Unterschiede in den Gaben und Aufgaben (vgl. Röm 12, 1. Kor 12), allerdings immer auf der Grundlage der geschwisterlichen Beziehung. Eine Zweiklassengesellschaft, die zwischen Priestern und Laien oder Amtsträgern und einfachen Gläubigen oder zwischen den 144000 mit der himmlischen Hoffnung und der großen Schar der “schafsähnlichen” Menschen (bei den Zeugen Jehovas) oder zwischen Geistgetauften und nur mit Wasser Getauften (bei pfingstlerischen Gruppierungen) unterscheiden, ist der Bibel fremd und widerspricht der Bruderliebe. Die Bibel kennt nur zwei Gruppen in einem anderen Sinn: Gläubige und Ungläubige, die, die drinnen sind und die, die draußen sind.

Wie in einer Familie die älteren Geschwister für die jüngeren sorgen, so sorgen auch in einer Gemeinde die älteren Geschwister für die jüngeren; jedoch nicht deswegen, um sie in Abhängigkeit zu bewahren, sondern, um sie zu größtmöglicher Selbständigkeit zu führen:

“… zur Ausrüstung der Heiligen für das Werk des Dienstes, für die Erbauung des Leibes Christi, bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zur vollen Mannesreife, zum Vollmaß des Wuchses der Fülle Christi. Denn wir sollen nicht mehr Unmündige sein, hin- und hergeworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre durch Betrügerei der Menschen, durch ihre Verschlagenheit zu listig ersonnenem Irrtum.” (Epheser 4,12-14)

Je mehr einer von Gott empfangen hat, umso höher ist auch seine Verantwortung. Die Bibel kennt unterschiedliche Bezeichnungen für Verantwortungsträger (z. B. “Älteste” eigentlich “Ältere” [presbyteroi] in Apg 11,30; 14,23; 20,17 …; “Propheten und Lehrer” Apg 13,1; “Episkopoi” [die Übersetzung dieses Wortes bereitet im Deutschen gewisse Schwierigkeiten, da sicher nicht das gemeint ist, was Katholiken oder Protestanten als “Bischöfe” bezeichnen und die wörtliche Übersetzung “Aufseher”, wie sie die Zeugen Jehovas verwenden, im Deutschen negativ geprägt ist Es geht um jemanden, der “auf andere sieht, sich um andere kümmert”] Apg 20,28; Phil 1,1; 1. Tim 3,2; Tit 1,7; “Hirten und Lehrer” Eph 4,11; “die unter euch arbeiten und euch vorstehen im Herrn und euch zurechtweisen” 1. Thess 5,2; “Führer” Hebr 13,7.17).

Aus diesen unterschiedlichen Bezeichnungen, die z. T. gleichgesetzt werden (so Presbyteros und Episkopos in Apg 20 und Tit 1 ein klares Zeugnis gegen die katholische Unterscheidung zwischen Priestern und Bischöfen, die aber ohnehin nichts mit den biblischen Presbytern und Episkopen zu tun haben), kann man klar erkennen, daß es in den neutestamentlichen Gemeinden keine uniformistische Gemeindestruktur gegeben hat. Die konkrete Struktur einer konkreten Gemeinde hängt sehr stark von den jeweiligen Umständen ab, unter denen eine Gemeinde lebt.

Aber allen neutestamentlichen Gemeinden war die Struktur mit einem monarchischen Gemeindeleiter unbekannt. Das einzige Haupt der Gemeinde ist Christus.

Leider wurde die monarchische Struktur schon relativ früh (Anfang des 2. Jahrhunderts) von Ignatius von Antiochien propagiert und wurde seither zur prägenden Struktur fast aller sogenannten Kirchen. Auch die Reformation hat den Schritt zum Ursprung hinter Ignatius zurück nicht gewagt, auch wenn in den protestantischen Organisationen die hierarchische Struktur nicht denselben konstitutiven Charakter hat wie bei den Katholiken, wo die hierarchische Struktur mit dem Papst an der Spitze zur Heilsfrage wurde. Als Beispiele seien hier die Bulle “Unam Sanctam” von Bonifaz VIII. (1302) und das 1. Vatikanum über die Unfehlbarkeit des Papstes angeführt:

“… Daher hat diese eine und einzige Kirche nicht zwei Häupter wie eine Mißgeburt, sondern nur einen Leib und ein Haupt, nämlich Christus und seinen Stellvertreter, Petrus, und dessen Nachfolger. Denn der Herr sagte zu Petrus persönlich: Weide meine Schafe! (Joh 21,17). Meine, sagte er, und zwar ganz allgemein, nicht nur einzelne, diese oder jene. Daraus ergibt sich, daß er ihm alle anvertraute.

Wenn also Griechen oder andere sagen, sie seien nicht Petrus und seinen Nachfolgern anvertraut, so müssen sie auch notwendig eingestehen, daß sie nicht von den Schafen Christi sind, da der Herr bei Johannes sagt: Einen Schafstall nur gibt es und nur einen Hirten. (Joh 10,16) …

Dem römischen Papst sich zu unterwerfen, ist für alle Menschen unbedingt zum Heile notwendig: Das erklären, behaupten, bestimmen und verkünden Wir.” (Bulle Unam Sanctam (1302) in: J. Neuner H. Roos, Der Glaube der Kirche in den Urkunden der Lehrverkündigung, 11. Aufl. 1971, Nr. 429-430)

“Zur Ehre Gottes, unseres Heilandes, zur Erhöhung der katholischen Religion, zum Heil der christlichen Völker lehren und erklären wir endgültig als von Gott geoffenbarten Glaubenssatz, in treuem Anschluß an die vom Anfang des christlichen Glaubens her erhaltene Überlieferung, unter Zustimmung des heiligen Konzils:

Wenn der römische Bischof in höchster Lehrgewalt (ex cathedra) spricht, das heißt, wenn er seines Amts als Hirt und Lehrer aller Christen waltend in höchster, apostolischer Amtsgewalt endgültig entscheidet, eine Lehre über Glauben oder Sitten sei von der ganzen Kirche festzuhalten, so besitzt er aufgrund des göttlichen Beistandes, der ihm im heiligen Petrus verheißen ist, jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei endgültigen Entscheidungen in Glaubens- und Sittenlehren ausgerüstet haben wollte. Diese endgültigen Entscheidungen des römischen Bischofs sind daher aus sich und nicht aufgrund der Zustimmung der Kirche unabänderlich.

Wenn sich jemand was Gott verhüte herausnehmen sollte, dieser unserer endgültigen Entscheidung zu widersprechen, so sei er ausgeschlossen.” (1. Vatikanisches Konzil, 4. Sitzung, 1870 in: Neuner-Roos Nr. 454)

Während die Katholiken den Ungehorsam zu Jesu Worten in Mt 23,9 zum Heilsprinzip erhoben haben, halten wir an der brüderlichen Gemeinde fest, die Jesus begründet hat.

c) “tägliches Treffen”

Historisch betrachtet war es nicht so, daß wir zuerst Apg 2,42-47 gelesen haben und uns dann entschlossen haben, einander täglich zu treffen. Wir wollten einfach so oft wie nur möglich und so intensiv wie nur möglich beisammen sein. Danach haben wir erkannt, daß uns Gottes Geist zu dem selben Gemeinschaftsleben geführt hat, wie schon die ersten Christen. In seiner Pfingstpredigt hat Petrus nicht das Kirchengesetz “Du sollst Dich mit Deinen Geschwistern täglich treffen!” verkündigt. Die Christen haben es einfach getan, weil die Liebe Gottes durch den Heiligen Geist in ihre Herzen ausgegossen wurde (Röm 5,5), die Bruderliebe, über die Paulus schreibt:

“Was aber die Bruderliebe betrifft, so habt ihr nicht nötig, daß man euch schreibt, denn ihr seid selbst von Gott gelehrt, einander zu lieben im Herrn.” (1. Thessalonicher 4,9)

Wer Gottes Geist hat, liebt die Brüder und hat den Wunsch zur Gemeinschaft, zum Teilen des Lebens. Wenn dieses Leben durch ritualisierte “Gottesdienste” ersetzt wurde, zeigt das, daß der Geist Gottes nicht mehr das Sagen hat.

Uns ist bewußt, daß es im Laufe der Geschichte immer wieder Situationen gab, in denen tägliche Gemeinschaft für Christen sehr schwer möglich oder unmöglich war. Aber die Christen wollten immer das beste aus der jeweiligen Situation machen, da sie von der Liebe zueinander geleitet waren. Keiner hatte je Angst vor einem Zuviel an Gemeinschaft, sondern die gemeinsame Liebe zu Gott führte die Geschwister zusammen.

Wir freuen uns, daß wir in einer Zeit leben dürfen, in der die äußeren Gegebenheiten (Arbeitszeit, Verkehrsmöglichkeiten) die tägliche Gemeinschaft sehr stark erleichtern. So können wir den in Hebr 3,13 ausgedrückten Grundsatz noch leichter in unserem Leben umsetzen:

“… sondern ermuntert einander jeden Tag, solange es heute heißt, damit niemand von euch verhärtet werde durch den Betrug der Sünde!”

Da uns Jesus zu einer persönlichen Beziehung mit Gott und den Brüdern befreit hat, ist es klar, daß auch unser Gemeinschaftsleben nicht von rituellen Liturgien bestimmt wird, sondern von der persönlichen Gemeinschaft miteinander zu der jeder beiträgt (vergleiche 1. Kor 14,26). Die Notwendigkeit eines Ritus ergibt sich, wenn die lebendige Beziehung gestorben ist. Wo das geistliche Leben keine Wirklichkeit mehr ist, wird es im Ritus “gespielt”.

Die tägliche Gemeinschaft führt dazu, daß geistlich gesehen jeder Tag ein Feiertag ist. Wir erfahren jeden Tag die Gemeinschaft mit Gott und mit den Geschwistern und sehen schon aus diesem Grund keine Veranlassung, besondere Feiertage zu halten.

Diese Praxis entspricht auch folgenden Stellen des NT:

(Römer 14,5): “Der eine hält einen Tag vor dem anderen, der andere aber hält jeden Tag gleich…”

Die noch dem jüdischen Gesetz verhafteten Judenchristen hielten noch die jüdischen Festtage; die Christen, die bereits erkannt hatten, daß durch die Erlösungstat Jesu das Gesetz hinfällig war, machten keine Unterschiede zwischen den Tagen. Das gilt auch für uns, da wir wissen, daß das Gesetz in Christus erfüllt wurde. Die Übergangszeit vom Alten zum Neuen Testament ist schon lange vorbei.

Deshalb schreibt Paulus auch in Kolosser 2,16-17:

“So richte euch nun niemand wegen Speise oder Trank oder betreffs eines Festes oder Neumondes oder Sabbats, die ein Schatten der künftigen Dinge sind, der Körper selbst aber ist des Christus.”

Wer noch Festtage halten will, hat die Bedeutung der Erlösung noch nicht erkannt. Feste sind doch nur ein Schatten des Künftigen. Wir glauben, daß die ewige Wirklichkeit in Christus schon gekommen ist und erleben daher jeden Tag das Fest seiner Gegenwart in der Gemeinschaft der Heiligen.

(Galater 4,9-11): “… jetzt aber habt ihr Gott erkannt vielmehr ihr seid von Gott erkannt worden. Wie wendet ihr euch wieder zu den schwachen und armseligen Elementen zurück, denen ihr wieder von neuem dienen wollt? Ihr beobachtet Tage und Monate und bestimmte Zeiten und Jahre. Ich fürchte um euch, ob ich nicht etwa vergeblich an euch gearbeitet habe.”

Auch diese Stelle zeigt, daß das Halten von “Tagen, Monaten, bestimmten Zeiten und Jahren” ein Rückfall zu den “schwachen und armseligen Elementen” ist. Die genaue Bedeutung dieser “Elemente” wäre eine eigenes Thema, das den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde es ist aber klar, daß Paulus das Halten der jüdischen Feiertage durch Christen als Gefährdung des Heils sieht, da dadurch die christliche Freiheit geleugnet wird.

Die “christlichen” Feiertage Ostern und Weihnachten wurden von den ersten Christen nicht gehalten. Weihnachten geht auf heidnischen Ursprung zurück und auch das Osterfest ist sehr stark von heidnischem Brauchtum durchsetzt. Diese Feste bergen die Gefahr in sich, daß die einmaligen Heilsereignisse der Menschwerdung des Logos und des Todes und der Auferstehung Jesu zu regelmäßig wiederkehrenden Mythen umgeformt werden. Die Auferstehung Jesu wird so zu einem Symbol der wieder erwachenden Natur und Weihnachten Fest des Lichtes, was es ursprünglich auch war (Feiertag des unbesiegbaren Sonnengottes Sol Invictus). Das Heidentum kehrt wieder im christlichen Kleid.

In Christus haben die Tage und Zeiten ihre Bedeutung verloren. Aber dennoch ist auch heute noch an der sozialen Einrichtung des regelmäßigen Ruhetages festzuhalten. Es ist gut, daß dank des technischen Fortschrittes heute in vielen Ländern zwei Ruhetage pro Woche die Regel sind. Auch in Zeiten des Sozialabbaus darf diese Errungenschaft keinesfalls aufgegeben werden. Die gesteigerte Produktivität sollte eigentlich zu einer weiteren Reduzierung der Arbeitszeit führen.

Wir lehnen staatlich angeordnete Feiertage keinesfalls ab, würden sogar deren Vermehrung begrüßen (was heutzutage leider eine Utopie ist). Auch den Nichtchristen tut es gut, sich bewußt zu werden, daß die Arbeit nicht das Ziel des Lebens ist. Eine Gesellschaft, deren Hauptziel im Wirtschaftswachstum liegt, geht dem Untergang entgegen.

Natürlich freuen wir uns, wenn wir durch Feiertage vermehrte Möglichkeiten zum Gemeinschaftsleben haben und wenn wir an verlängerten Wochenenden manchmal auch Geschwister treffen dürfen, die weiter entfernt wohnen.

d) “Teilen der geistigen und materiellen Güter”

Apg 4,32: “Die Menge derer aber, die gläubig geworden waren, war ein Herz und eine Seele; und auch nicht einer sagte, daß etwas von seiner Habe sein eigen sei, sondern es war ihnen alles gemeinsam.”

Didache 4,8: “Wende dich nicht ab von dem Bedürftigen, teile vielmehr alles mit deinem Bruder und nenne nichts dein eigen; denn wenn ihr in die unvergänglichen Güter euch teilet, um wieviel mehr in die vergänglichen?”

Genauso wie die tägliche Gemeinschaft ist auch das Teilen sowohl der geistlichen als auch der materiellen Güter eine Folge der Liebe, die Gott uns ins Herz gelegt hat.

In einer gut funktionierenden Familie teilt man miteinander. Nicht das “mein” oder “dein” ist im Mittelpunkt, sondern das “unser”. Was in einer irdischen Familie funktioniert, soll in der Familie Gottes nicht gehen?

Unter Ungläubigen heißt es: “Beim Geld hört die Freundschaft auf.” In der Gemeinde heißt es: “Bruder, ich teile mit dir.”

Das setzt natürlich eine christliche Gemeinde voraus. Wenn ich dem anderen nicht vertrauen kann, kann ich ihm auch mein Geld nicht anvertrauen. Wenn ich weiß, daß der andere mit meinem Geld genauso sorgfältig umgeht wie mit seinem, weil es ja unseres ist, wenn ich weiß, daß er kein Verschwender ist, kein Trinker, kein Raucher, der mein Geld nur für seine Sünden mißbraucht, dann kann ich teilen.

Als Christen wissen wir, daß wir alles von Gott haben, um es am besten für ihn einzusetzen. Darum können wir es auch teilen. Christentum ist das Ende des Egoismus. Gütergemeinschaft ist eine wesentliche Konkretisierung der Liebe.

Wie die Gütergemeinschaft aussieht, hängt sehr stark von der jeweiligen Situation einer Gemeinde ab. Je intensiveres Gemeindeleben möglich ist, um so intensiver wird auch die Gütergemeinschaft sein.

In jedem Fall muß die Gütergemeinschaft aber auf der Basis der freiwilligen Hingabe der Güter geschehen (Vgl. Apg 5,4).

Was würden unsere Kritiker wohl sagen, hörten sie Worte wie folgende aus unserem Munde:

“Darf man in der Brüderschaft etwas eigenes haben? Dies ist dem Zeugnis der Gläubigen in der Apostelgeschichte entgegen, wo geschrieben steht: Niemand betrachtete etwas von dem, was er besaß, als sein Eigentum. (Apg 4,32). Wer also sagt, daß etwas sein eigen sei, der sondert sich von der Kirche Gottes und von der Liebe des Herrn ab, der durch Wort und Tat gelehrt hat, daß man sein Leben für seine Freunde hingeben müsse, um wieviel mehr dann die zeitlichen Güter?” (Basilius, Kleine Regel 85: Die großen Ordensregeln, Hg. Hans Urs von Balthasar, 2. Auflage, 1961, S. 87)

“Die in der Welt Vermögen besaßen, sollen es nach ihrem Eintritt ins Kloster gerne sehen, daß es Gemeingut wird.”  (“Die Regel des hl. Augustinus”, 1. Kapitel: Die großen Ordensregeln S. 161)

“Vor allem muß dieses Übel mit der Wurzel … ausgerottet werden, daß nämlich einer es wage, ohne Erlaubnis des Abtes etwas zu verschenken oder zu empfangen, noch etwas als eigen zu besitzen: durchaus nichts, weder ein Buch noch eine Schreibtafel noch einen Griffel, ganz und gar nichts. Es ist den Mönchen nicht einmal erlaubt, über ihren Leib und ihren Willen frei zu verfügen. Sie sollen vielmehr alles Notwendige vom Abte des Klosters erwarten. Es ist keineswegs gestattet, etwas zu eigen zu haben, was der Abt nicht gegeben oder wozu er nicht die Erlaubnis gegeben hat.

Alles sei allen gemeinsam, wie geschrieben steht, und keiner nenne etwas sein eigen oder nehme etwas für sich in Anspruch. Zeigt es sich, daß einer diesem überaus schlimmen Laster huldigt, dann werde er einmal und ein zweites Mal gewarnt. Bessert er sich nicht, so unterliege er der Bestrafung.” (“Die Regel des hl. Benedictus”, 33. Kapitel: Die großen Ordensregeln S. 223-224)

“Auch wenn einem Mönche von seinen Eltern irgend etwas zugeschickt wird, darf er es nicht wagen, es anzunehmen ohne vorherige Anzeige beim Abte. Ist der Abt mit der Annahme einverstanden, so steht es in der Befugnis des Abtes zu bestimmen, wer es erhalten soll; der Bruder aber, dem es geschickt wurde, werde nicht unwillig, um nicht dem Teufel dadurch einen Anlaß zu geben. Wer sich herausnimmt, anders zu handeln, unterliege der in der Regel festgesetzten Strafe.” (“Die Regel des hl. Benedictus”, 54. Kapitel: Die großen Ordensregeln S. 240-241)

“Die Gütergemeinschaft ist total.” (Frère Roger, Die Regel von Taizé, 7. Auflage 1974, S. 51)

Was “die erlauchtesten Kinder der Kirche” (so nennt H.U. von Balthasar die Ordensgründer) nur mit Zwang und Androhung von Strafen durchsetzen konnten, ist in der Gemeinde Gottes das Werk der Liebe, die aus freier Entscheidung heraus gibt.

Um Mißverständnisse zu vermeiden, sei noch festgehalten, daß wir die Gütergemeinschaft in dem absoluten Sinn, wie sie die oben angeführten Ordensregeln beschreiben, als der Menschenwürde widersprechend zurückweisen. Es ist einfach entwürdigend, einen Menschen auch in den Kleinigkeiten des Alltagslebens (Buch, Griffel …) die Abhängigkeit von sogenannten geistlichen Führern spüren zu lassen. Das biblische Konzept der Gütergemeinschaft, das auch wir zu verwirklichen suchen, baut auf dem Prinzip des Privateigentums auf, aus dem jeder aus freier Entscheidung heraus seinen Beitrag zum Besten der Gemeinde leistet.

“Jeder gebe, wie er sich in seinem Herzen vorgenommen hat: nicht mit Verdruß oder aus Zwang, denn einen fröhlichen Geber liebt Gott.” (2. Korinther 9,7)

Dass man persönliche Probleme, Zweifel und Verfehlungen gemeinsam bespricht, ist unter Christen normal und setzt eine tiefe Vertrauensbasis voraus, wie wir sie in Jesus haben dürfen. Natürlich muß Herr Kluge das wieder negativ interpretieren, daß dadurch der einzelne gezielt beeinflußt werden kann.

Jeder Mensch wird ständig beeinflußt. Wer meint, er werde nicht beeinflußt, zeigt dadurch nur seine sehr unkritische Sicht der Welt. Es ist klar, daß wir einander beeinflussen, aber nicht in dem Sinne, der uns vorgeworfen wird. Wir sind deswegen zusammen, um einander durch Ermunterungen und Ermahnungen auf dem Weg zu Gott zu bestärken.

Es liegt in unserer Freiheit, zu bestimmen, von wem wir uns beeinflussen lassen. Wir lassen uns nicht von den verdummenden Massenmedien beeinflussen, sondern setzen uns bewußt, aber nicht unkritisch, dem positiven Einfluß Gottes durch häufiges Lesen der Bibel und Gemeinschaft mit den Brüdern aus. Brüderliche Kritik und Ermahnung sind immer offen und klar. Arbeit mit psychologischen Tricks, gruppendynamischen Effekten etc. widersprechen der Würde des Menschen und haben deswegen unter Christen nichts zu suchen.

Die Brüder, mit denen wir nicht nur gewisse Kultakte teilen, sondern auch den Alltag, deren Sünden und Schwächen uns nicht fremd sind, die nicht ihren Vorteil suchen, sondern geben wollen, die auch bereit sind, Ermahnung anzunehmen, sind sicher vertrauenswürdiger als irgendwelche Gurus oder Kleriker, die nicht bereit sind, wie Paulus “nicht nur das Evangelium Gottes, sondern auch unser eigenes Leben mitzuteilen” (1. Thess 2,8), sondern sich hinter ihren selbstangemaßten Titeln in Distanz von den anderen halten.

e)“keine Sünder in der Gemeinde”

Jesu Worte sind hier ganz eindeutig:

“Wenn aber dein Bruder sündigt, so geh hin, überführe ihn zwischen dir und ihm allein. Wenn er auf dich hört, so hast du deinen Bruder gewonnen. Wenn er aber nicht hört, so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit aus zweier oder dreier Zeugen Mund jede Sache bestätigt werde. Wenn er aber nicht auf sie hören wird, so sage es der Gemeinde; wenn er aber auch auf die Gemeinde nicht hören wird, so sei er dir wie der Heide und der Zöllner. Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr etwas auf der Erde binden werdet, wird es im Himmel gebunden sein, und wenn ihr etwas auf der Erde lösen werdet, wird es im Himmel gelöst sein.” (Matthäus 18,15-18)

Auch Paulus nimmt eindeutig Stellung:

“Überhaupt hört man, daß Unzucht unter euch sei, und zwar eine solche Unzucht, die selbst unter den Nationen nicht stattfindet: daß einer seines Vaters Frau habe. Und ihr seid aufgeblasen und habt nicht vielmehr Leid getragen, damit der, welcher diese Tat begangen hat, aus eurer Mitte hinweggetan würde! Denn ich …. habe schon … das Urteil gefällt über den, der dieses so verübt hat, … einen solchen im Namen unseres Herrn Jesus dem Satan zu überliefern zum Verderben des Fleisches, damit der Geist errettet werde am Tage des Herrn. …Wißt ihr nicht, daß ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert? Fegt den alten Sauerteig aus, damit ihr ein neuer Teig seid …Darum laßt uns Festfeier halten, nicht mit altem Sauerteig, auch nicht mit Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit Ungesäuertem der Lauterkeit und Wahrheit…Nun aber habe ich euch geschrieben, keinen Umgang zu haben, wenn jemand, der Bruder genannt wird, ein Unzüchtiger ist oder ein Habsüchtiger oder ein Götzendiener oder ein Lästerer oder ein Trunkenbold oder ein Räuber, mit einem solchen nicht einmal zu essen…Tut den Bösen von euch selbst hinaus!” (aus 1. Korinther 5)

“Geht nicht unter fremdartigem Joch mit Ungläubigen! Denn welche Verbindung haben Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? Oder welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis? Und welche Übereinstimmung Christus mit Belial? Oder welches Teil ein Gläubiger mit einem Ungläubigen? Und welchen Zusammenhang der Tempel Gottes mit Götzenbildern? Denn wir sind der Tempel des lebendigen Gottes; wie Gott gesagt hat: Ich will unter ihnen wohnen und wandeln, und ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein. Darum geht aus ihrer Mitte hinaus und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt Unreines nicht an, und ich werde euch annehmen und werde euch ein Vater sein, und ihr werdet mir Söhne und Töchter sein, spricht der Herr, der Allmächtige. Da wir nun diese Verheißung haben, Geliebte, so wollen wir uns reinigen von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes und die Heiligkeit vollenden in der Furcht Gottes.” (2. Korinther 6,14-7,1)

Die frühkirchliche Praxis nahm diese Worte ernst, interpretierte sie des öfteren sogar zu streng. Auch bei neueren Autoren großer “Kirchen” finden wir fallweise klare Aussagen in diese Richtung, auch wenn sie nichts für deren Verwirklichung unternommen haben.

“… Damit ist eine äußerst scharfe Trennungslinie zwischen Kirche und Gesellschaft gezogen, die keine fließenden Übergänge zuläßt. Diese Trennungslinie kommt sprachlich darin zum Ausdruck, daß Paulus ohne die geringsten Hemmungen zwischen den Gläubigen und den Ungläubigen unterscheidet. Wer von uns käme heute noch auf die Idee, in seinem Umkreis solche sprachlichen Differenzierungen vorzunehmen? Paulus dagegen trennt hier prinzipiell – aufgrund des Neuen, das mit Christus und der Kirche mitten in der Welt begonnen hat. So kommt es, daß er sogar die drinnen (1. Kor 5,12) und die draußen (1. Kor 5,12f; 1. Thess 4,12) unterscheidet.

Hingegen unterscheidet Paulus niemals zwischen Christen, die nur noch äußerlich zur Gemeinde gehören und praktizierenden Gläubigen; Christsein und zur sichtbar versammelten Gemeinde gehören, ist für ihn offensichtlich deckungsgleich. Mehr noch! Christsein verlangt auch, daß die in der Taufe empfangene Heiligung und das sittliche Leben des Getauften miteinander deckungsgleich sind. Öffnet sich zwischen beidem eine zu tiefe Kluft, so fordert Paulus Konsequenzen: (Es folgt 1. Korinther 5,9-11)

“In dieser sehr harten Anordnung, die – isoliert betrachtet – sogar den Anschein erweckt, als gäbe es für Paulus nicht einmal mehr christliches Erbarmen mit Schuldiggewordenen, spricht sich deutlich ein biblisches Grundprinzip aus, das man die Heiligkeit der Gemeinde nennen könnte. Die Kirche ist nicht nur durch die Erlösungstat Christi geheiligt, sie hat diese Heiligung auch in einem entsprechenden Leben zu realisieren. Sonst gleicht sie sich der Welt an. Paulus hat keinerlei Schwierigkeiten, eine Formel des Gesetzes, welche die Heiligkeit des alttestamentlichen Gottesvolkes sichern sollte, auf die Gemeinde in Korinth anzuwenden: Du sollst das Böse aus deiner Mitte wegschaffen (vgl. 5. Mose 17,7 / 1. Kor 5,13). Auch hierin zeigt sich das scharfe Gegenüber von Gemeinde und Welt.” (Gerhard Lohfink, Wie hat Jesus Gemeinde gewollt?, Freiburg im Breisgau 1982, S. 149-150)

“… Nun ist die Gemeinde aufgerufen, … das Schlüsselamt zu verwalten. … denn nun soll Gottes eigenes Urteil über den Sünder ergehen. Tut dieser aufrichtig Buße, bekennt er öffentlich seine Sünde, so empfängt er die Vergebung aller seiner Sünden im Namen Gottes (vgl. 1. Kor 2,6ff), beharrt er bei seiner Sünde, so muß ihm die Gemeinde im Namen Gottes seine Sünde behalten. Das aber bedeutet den Ausschluß aus jeder Gemeinschaft der Gemeinde. Halte ihn für einen Heiden und Zöllner (Mt 18,17), … Im Ausschluß aus der Gemeinde aber wird nur bestätigt, was schon Tatsache ist, nämlich, daß der unbußfertige Sünder ein solcher ist, der sich selbst verurteilt hat (Tit 3,10). Nicht die Gemeinde verurteilt ihn, er selbst hat sich das Urteil gesprochen. Diesen vollkommenen Ausschluß bezeichnet Paulus mit dem Satan übergeben. (1. Kor 5,5; 1. Tim 1,20). Der Schuldige wird der Welt zurückgegeben, in der der Satan herrscht und der Tod wirkt. … Der Schuldige ist aus der Gemeinschaft des Leibes Christi ausgestoßen, weil er sich selbst getrennt hat. Kein Anrecht an die Gemeinde steht ihm mehr zu. Dennoch bleibt auch dieses letzte Handeln noch ganz im Dienste des Heilszieles mit dem Betroffenen, daß der Geist selig werde am Tage des Herrn Jesu (1. Kor 5,5), daß er gezüchtigt werde, nicht mehr zu lästern (1. Tim 1,20). Die Rückkehr zur Gemeinde oder die Erlangung des Heils bleibt das Ziel der Gemeindezucht. Sie bleibt pädagogisches Handeln. So gewiß der Spruch der Gemeinde in Ewigkeit besteht, wo der andere nicht Buße tut, so ist dieser Spruch, in dem dem Sünder das Heil genommen werden muß, nur das letztmögliche Angebot der Gemeinschaft der Gemeinde und des Heils.

So bewährt sich die Heiligung der Gemeinde in ihrem Wandel, der des Evangeliums würdig ist. Sie bringt die Frucht des Geistes und steht in der Zucht des Wortes. In allem dem bleibt sie Gemeinde derer, deren Heiligung allein Christus ist (1. Kor 1,30) und die dem Tag der Wiederkunft entgegengeht.” (Dietrich Bonhoeffer, Nachfolge, 14. Auflage, München 1983, S. 267-269)

Letztlich ist die Gemeindezucht (das heißt, die Bereitschaft, sündige Geschwister zu ermahnen und bei mangelnder Bereitschaft zur Änderung, sich auch von ihnen zu trennen) eine Frage der Liebe und der Identität der Gemeinde. Liebe sieht den Sünden nicht tatenlos zu, sondern weist den Sünder auf die geistliche Gefahr hin, in der er sich befindet. Liebe will nicht passiv zusehen, wie ein Mensch sich geistlich zugrunderichtet. Das Ziel des Ausschlusses ist letztlich doch, “damit sein Geist gerettet werde”, auch wenn wir keine Garantie haben, daß der Sünder sich bekehren wird.

Wenn jemand trotz intensiver Ermunterung und Ermahnung an der Sünde festhält, sich der Heiligung widersetzt, hat er keinen Platz in der Gemeinde der von Gott Geheiligten. Vielleicht kann die Konfrontation mit der Welt ihm doch noch helfen und ihm zeigen, was er durch sein Sündigen verloren hat. Vielleicht führt dieses “dem Satan übergeben Sein” (was nicht heißt, daß der Satan nun eine besondere Macht hätte, den Sünder zu quälen, sondern, wer nicht in der Gemeinde ist, ist in der Welt, in der nach Jesu Worten der Satan der Fürst ist [Joh 14,30]) zum “Verderben des Fleisches”, das heißt zum Aufgeben der widergöttlichen sündhaften Gesinnung.

Der andere Punkt um den es geht, ist die Identität der Gemeinde. Wenn die Gemeinde der Erlösten auch solche in ihren Reihen hat, die sich der Erlösungstat Jesu widersetzen, denen die Sünde wichtiger ist als die Nachfolge, hört sie auf, Gemeinde zu sein.

Natürlich ist auch uns klar, daß es eine sündenlose Gemeinde nie gab und auch nie geben wird. Unsere Sündenbekenntnisse sind kein “verbales Zugeben” sondern Ausdruck des Kampfes gegen die Sünde.

Johannes betont in seinem ersten Brief einerseits, daß ein Christ nicht sündigt (1. Joh 3,3-10), andererseits macht jeder, der sagt, daß er nicht gesündigt habe, Gott zum Lügner (1. Joh 1,8-10). Diese Aussagen sind in sich kein Widerspruch. Im 3. Kapitel spricht Johannes grundsätzlich von der Existenz des Erlösten, der eine völlig neue Einstellung zur Sünde hat und vieles, das sein altes Leben geprägt hat, nicht mehr tut. Das Leben des Christen ist ein Leben in Freiheit und Sieg über die Sünde. Aber gerade wenn jemand sich bemüht, in der Heiligung zu leben, wird er umso deutlicher merken, wieviel noch nicht in Ordnung ist, wieviel Sünde trotz allem noch in seinem Leben ist. “… denn wir alle straucheln oft.” (Jakobus 3,2)

Wer sein Leben nach Jesus ausrichtet und es mit seinen Brüdern teilt, hat natürlich weniger mit anderen zu tun. Jesus hat es zu einer Grundforderung seiner Jünger gemacht, daß im Vergleich zur Beziehung mit Jesus alle anderen Beziehungen zurückzustellen sind.

“Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein.” (Lukas 14,26 Einheitsübersetzung)

Für Jesus hat die geistliche Verwandtschaft Vorrang vor der natürlichen Verwandtschaft:

“Und er streckte seine Hand aus über seine Jünger und sprach: Siehe da, meine Mutter und meine Brüder! Denn wer den Willen meines Vaters tun wird, der in den Himmeln ist, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.” (Matthäus 12,49-50)

Das Leben können wir nun einmal nur mit denen teilen, die dem selben Herrn nachfolgen. Aber eine Verpflichtung zum Abbruch aller familiären Beziehungen, wie es bei katholischen Orden mitunter vorkam, gibt es in der Gemeinde Gottes nicht.

Wiederum ein Zitat anderer:

“Somit sollen die leiblichen Eltern oder Brüder eines Mitglieds der Brüderschaft, wenn sie Gott wohlgefällig leben, von allen Brüdern als gemeinsame Eltern und Verwandte mit Ehrerbietung behandelt und gepflegt werden. Denn wer immer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist, sagt der Herr, der ist mir Bruder, Schwester und Mutter (Mt 12,50). … Sind sie aber noch ihrer Gesinnung nach in weltliches Treiben verwickelt, so haben wir, die wir fern von Zerstreuung, was dem Herrn wert und gefällig ist, zu tun erstreben, keine Gemeinschaft mit ihnen. Kommen von unseren früheren Verwandten solche zu uns auf Besuch, die Gottes Gebote verachten und den Dienst der Frömmigkeit für nichts halten, so dürfen wir sie nicht aufnehmen, weil sie den Herrn nicht lieben, der sagt: Wer mich nicht liebt, der beobachtet meine Gebote nicht (Joh 14,24) …

Überhaupt darf man weder einem Verwandten noch einem Fremden erlauben, sich mit den Brüdern in ein Gespräch einzulassen, wenn wir von ihnen nicht die Überzeugung haben, daß das Gespräch Erbauung und Vervollkommnung der Seelen bewirkt …” (Basilius, Große Regeln, 33: Die großen Ordensregeln, hg. von Hans Urs von Balthasar, 2. Auflage, 1961)

Was würde Herr Kluge wohl sagen, wenn wir derartiges formulierten? Milieukontrolle? Informationskontrolle? Typisches Kennzeichen einer Sekte! Basilius aber wird von seiner “Kirche” als Heiliger verehrt.

Es gibt in der Gemeinde Jesu nur aktive Glieder. Eine rein formale Mitgliedschaft zur Kirche Jesu ist daher ein Unding. Gemeinschaftsleben und Anonymität widersprechen einander wie Feuer und Wasser. Es ist daher unmöglich, die “Kirchen”, bei denen die überwiegende Mehrheit der Mitglieder nicht einmal die eigenen Glaubenswahrheiten akzeptiert, als Kirchen zu bezeichnen. Wenn das Gemeindeleben durch Formalismen ersetzt wurde, zeigt das klar, daß hier der Geist Gottes nicht am Wirken ist.

Wir werfen den “Volkskirchen” aber nicht die Säuglingstaufe vor, sondern daß die Kinder nicht in eine Gemeinde von Brüdern und Schwestern hineingetauft werden, in der sie zum christlichen Leben hingeführt werden. Die Alternativen lauten nicht Säuglingstaufe oder Erwachsenentaufe sondern eine Gemeinde von Glaubenden oder Formalismus.

Eine Kirchensteuer ist für Christen etwas absolut Undenkbares. Mit meinen Geschwistern teile ich ohnehin, was ich habe auf der Basis einer freien Liebesbeziehung. Jemanden aber durch staatlichen Zwang zu Abgaben zu verpflichten, ist das Aufgeben des letzten Anspruches, Gemeinde Gottes zu sein. Wenn ein Werk von Gott ist, stehen die Gläubigen dahinter und geben mehr als nötig, ohne Zwang. Zwangsabgaben sind ein Mißtrauensantrag an Gott und die Gläubigen bzw. ein Eingestehen des eigenen Unglaubens.

Wenn Herr Kluge über unsere Beziehungen zu Außenstehenden schreibt, schwankt er in der Terminologie zwischen “Andersgläubigen” und “Christen außerhalb der Gruppe”.

Mit Andersgläubigen, also Nichtchristen, ist Gebetsgemeinschaft nicht möglich, da doch klar sein muß, daß wir zum selben Gott beten. Dieser Grundsatz war in den ersten Jahrhunderten selbstverständlich. Mit Menschen, die Gott aufrichtig suchen, beten wir aber gerne. Ebenso ist mit Christen “außerhalb der Gruppe” das gemeinsame Gebet selbstverständlich. Wir haben immer wieder große Freude, wenn wir Christen finden, die Jesus unabhängig von unserer Gemeinschaft gefunden haben und freuen uns tief über die Einheit mit ihnen.

Nicht “unsere Gruppe” ist das Zeichen, an dem sich das Christsein anderer zeigt, sondern die Liebe zueinander, die Gott allen seinen Kindern ins Herz gelegt hat. Wenn wir Christen kennenlernen, so ist die selbstverständliche Folge, daß wir uns gemeinsam um Einheit bemühen und sie auch finden. Unmöglich ist es jedoch, Geschwister im Glauben als Sektierer abzustempeln, was Herr Kluge macht, der uns einerseits doch irgendwie für Christen hält, uns andererseits aber als Sekte bezeichnet und nie auch nur den geringsten Versuch unternommen hat, mit uns in Einheit zu kommen.

Wir sehen uns NICHT als Elitegemeinschaft. Unter Christen darf es keine Zweiteilung in Elite und normale Mitglieder geben. Jeder ist heilig und bemüht sich um Wachstum im Glauben. Unser Ziel ist niemals Überheblichkeit sondern demütiger Dienst. Es steht uns nicht zu, auf etwas stolz zu sein, was wir selber nur empfangen haben.

Doch sind wir nicht um einer Scheindemut willen bereit, den Wahrheitsanspruch des Christentums zu reduzieren. Es ist nicht überheblich, von der Wahrheit des Christentums überzeugt zu sein (was zwangsläufig heißt, daß alle anderen Wege falsch sind). Das war die Überzeugung Jesu (Joh 14,6) und der Apostel (Apg 4,12). An dieser Überzeugung wollen auch wir festhalten. Wir haben erfahren, daß Gott uns aus der Finsternis ins Licht gerufen hat, vom Irrtum zur Wahrheit. Nun dürfen wir andere rufen, den selben Schritt zu tun, nicht weil wir uns gut vorkommen, sondern weil wir wissen, daß Jesus der einzige Weg zu Gott ist. Wir wollen das große Geschenk, das wir empfangen haben, mit anderen teilen.

Wir sind keine Gnostiker, die die anderen als “dem Materiellen verhaftete Menschen” sehen, denn auch die Materie ist ein Teil von Gottes guter Schöpfung. Wir denken auch nicht, daß wir ein überragend hohes sittliches und religiöses Niveau erreicht hätten. Was für eine Welt, in der das Normale schon ein unüberwindlich hohes Niveau darstellt! Es geht auch nicht darum, etwas “zu schaffen” oder nicht, sondern als Christen leben wir aus der Kraft Gottes und erfahren, daß seine Gebote nicht schwer sind.

“Denn dies ist die Liebe Gottes, daß wir seine Gebote halten, und seine Gebote sind nicht schwer.” (1. Johannes 5,3)

Zu Apg 2,42-46: Es geht uns nicht um das formalistische Kopieren eines konkreten zeitbedingten Gemeindemodells, was wir auch in keiner Weise tun. Aber aus Apg 2 wird sichtbar, wie der Geist Gottes die jungen Christen mit Liebe zu Gott und zueinander erfüllt hat, und diese Liebe ist die bleibende Grundlage jedes christlichen Gemeindelebens, egal unter welchen Umständen diese Christen leben. Dieselbe Liebe, die die ersten Christen zur täglichen Gemeinschaft und zum Teilen der materiellen Güter führte, führt auch uns dazu, auch wie die Konkretisierung heute etwas anders aussieht als im Jerusalem des Jahres 30 oder im Ephesus des Jahres 55. Nicht immer und überall war tägliche Gemeinschaft so einfach wie für uns heute. Die Christen taten immer ihr bestes, doch nicht immer erlaubten die Umstände tägliches Treffen. Bei uns hingegen erlauben sie es, und wir nehmen dieses Geschenk dankbar an, ohne von höherwertigen oder minderwertigen Gemeindemodellen zu sprechen.

Jesus hat uns zu einem heiligen Leben berufen. Es ist daher wohl selbstverständlich, daß die Gemeinde von ihren Gliedern einen moralisch hohen Lebenswandel erwartet. Das ist die Lehre der Bibel (z. B.: Phil 2,14-15: “Tut alles ohne Murren und Zweifel, damit ihr tadellos und lauter seid, unbescholtene Kinder Gottes inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts, unter dem ihr leuchtet wie Himmelslichter in der Welt …”) und die Tradition der frühen Kirche (z. B. Athenagoras, Bittschrift für die Christen, 31: “… so wißt ihr auch, daß wir uns nie auch nur eine ganz kurze Gedankensünde erlauben. Denn da Gott die Richtschnur für unser Leben bildet, so ist es unser eifrigstes Bestreben, daß das Leben eines jeden von uns in Gottes Auge schuldlos und untadelig sei…”).

Es ist nicht ganz klar, ob uns Herr Kluge hier loben will oder ob er das Streben nach Moralität als Kennzeichen einer Sekte versteht. (Das Fehlen des Strebens nach Moralität ist aber ein sicherer Beweis dafür, daß eine Organisation nicht mehr Kirche ist.) Wir wollen das bessere hoffen und korrigierend anmerken, daß wir den Ausdruck “falsches Evangelium” üblicherweise nicht für einen laxen Lebensstil verwenden.