Anmerkungen zu Steven Hassan, Ausbruch aus dem Bann der Sekten
Da Herr Kluge sich auf Hassans Buch beruft, seien einige Anmerkungen zu diesem Buch und insbesondere seiner Beschreibung der “Bewußtseinskontrolle” gestattet.
Der Verfasser war selbst Mitglied der allgemein als “Mun-Sekte” bekannten “Vereinigungskirche”, kommt nach mehreren Jahren wieder heraus und warnt seither vor dieser und ähnlichen Sekten und dürfte von diesem Geschäft auch ganz gut leben (Nach seinen eigenen Angaben [S. 241-242] bewegten sich die Honorare für Ausstiegsberater in den USA in den 80er Jahren zwischen 250 und 1000 Dollar pro Tag. Die Kosten für eine normale Intervention berechnete er mit durchschnittlich 2000–5000 Dollar).
Er kommt aus jüdischer Tradition, von einer Hinwendung zum Christentum ist nichts bekannt. Er beschäftigt sich nur mit der psychologischen Problematik. Die Lehrinhalte sind für ihn irrelevant. Das ist für die Beurteilung einer religiösen Gruppierung sicher problematisch, da ja gerade die Lehre der wesentliche Punkt der Beurteilung ist, ob eine Gruppe auf der Basis des NT steht oder nicht.
Es ist begrüßenswert, daß dem Autor die Freiheit der Menschen von jeglicher Manipulation ein großes Anliegen ist. Diesem Anliegen können wir nur voll beipflichten. Wir lehnen jegliche Form von psychologischer Manipulation, sei es durch Hypnose oder auch durch Gruppendynamik, ab. Durch Psychologie kann man jemanden vielleicht an eine Sekte binden. Die Gemeinde Gottes hätte durch Psychologie keinen Bestand.
Wir teilen jedoch nicht Hassans Menschenbild, dem gemäß ein Mensch sich fast nicht gegen die Manipulationen von Verführern wehren könne. Wir glauben, daß Gott den Menschen so geschaffen hat, daß er nicht hilflos in die Fänge eines Verführers gerät.
Jesus sagt: “Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme.” (Johannes 18,37b)
Deshalb braucht ein wahrheitsliebender Mensch sich nicht vor Verführern gleich welcher Herkunft zu fürchten, so lange er auf der Suche nach der Wahrheit ist.
Auch wir hatten mitunter Kontakt zu Mitgliedern der “Vereinigungskirche”. Im offenen Gespräch mit uns ging es immer um die Lehre. Einer klaren biblischen Argumentation konnten sie letztlich nichts entgegensetzen. Sie haben es nicht sonderlich mit psychologischen Tricks versucht. Wahrscheinlich sahen sie, daß diese bei Menschen, denen es um die Wahrheit geht, nicht wirken.
Hassans Buch mag, was die Methoden der “Vereinigungskirche” betrifft, sehr lehrreich sein. Herr Kluge zieht aber, vermutlich wider besseres Wissen, dieses Buch zur Beurteilung einer christlichen Gemeinde heran und unterstellt uns verleumderisch, mit den selben Methoden zu arbeiten. Es geht aber bereits aus seiner eigenen Schrift hervor, daß wenigstens in einigen entscheidenden Punkten der Vergleich mit den Anhängern Muns absolut unzutreffend ist.
Hassan schreibt (S. 68): “Da alle totalitären Sekten glauben, daß der Zweck die Mittel heiligt, meinen sie, über dem Gesetz zu stehen. Solange sie überzeugt sind, daß das, was sie tun richtig und gerecht ist, haben viele von ihnen keinerlei Skrupel, ihre Ziele durch Lügen, Diebstahl, Betrug und unethische Praktiken der geistigen Manipulation zu erreichen. Sie treten die Freiheitsrechte der Menschen, die sie anwerben, mit Füßen. Sie machen arglose Menschen zu Sklaven.”
Uns sind derartige Praktiken nur bei unseren Gegnern aus den etablierten Kirchen begegnet. Wenn irgend jemand unter uns derartige Praktiken auch nur vorschlagen würde, hätte er keinen Platz mehr in der Gemeinde.
Der Grundsatz “Der Zweck heiligt die Mittel” ist im absoluten Widerspruch zur Bibel:
“Und sollen wir nicht – wie uns verleumderisch nachgesagt und uns von gewissen Leuten in den Mund gelegt wird – das Böse tun, damit das Gute komme? Die so reden, trifft mit Recht das Gericht.” (Römer 3,8)
Was die Lügen betrifft, so gesteht uns auch Herr Kluge zu:
“Trotz dieses Feindbildes ist aber nicht zu erwarten, daß man von ihnen direkt betrogen wird. Wahrscheinlich würden Sektenmitglieder eher eine Antwort verweigern, als sich mit einer Lüge aus der Affäre zu ziehen.”
Aus Apostelgeschichte 5,1-11 sehen wir, wie Gott die Lüge verurteilt.
(Offenbarung 22,15): “Draußen sind die Hunde und die Zauberer und die Unzüchtigen und die Mörder und die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut.”
Im Gegensatz zu den großen “Kirchen” haben in der Gemeinde Gottes Lügner keinen Platz.
Herr Kluge bescheinigt uns auch, daß andere “Sektenmerkmale” bei uns fehlen, wie:
- Zentrale Bedeutung des Führers
- Vorrangige Ausrichtung auf Gelderwerb für den Leiter und die darausfolgende Ausbeutung der Mitglieder
- Weltweites (auch wirtschaftliches) Imperium mit Tarn- und Unterorganisationen
Bei selbst oberflächlicher Kenntnis unserer Gemeinschaft müßte er auch wissen, daß folgender Satz Hassans bei uns nicht zutrifft:
“Meines Wissens findet man praktisch keine Sektenmitglieder mit Behinderungen, denn es kostet Zeit, Geld und Mühe, sich um sie zu kümmern. In destruktiven Sekten gibt es kein soziales Bewußtsein.” (S. 88)
Wir bieten Gottes Liebe jedem Menschen an, dem wir begegnen und haben auch Geschwister mit unterschiedlichen körperlichen Behinderungen unter uns und sind dankbar für deren wertvollen Beitrag zum Aufbau der Gemeinde. Wir folgen Jesus und nicht der Qumran-Gemeinschaft, die Blinde und Lahme zurückwies.
Noch einige Anmerkungen zu den von Hassan aufgezählten vier Komponenten der “Bewußtseinskontrolle”
a) Verhaltenskontrolle
“Unter Verhaltenskontrolle versteht man die Regelung der physischen Realität des Individuums … wo er lebt, wie er sich kleidet, was er ißt, wieviel Schlaf er bekommt, ebenso wie der Arbeit, Rituale und sonstigen Tätigkeiten, die er ausübt.
Diese Notwendigkeit der Verhaltenskontrolle ist der Grund, weshalb die meisten Sekten … ein sehr strenges Reglement vorschreiben.
… Über jede Stunde seines Tages muß das Mitglied Rechenschaft ablegen.
… Die Befehlskette in Sekten verläuft gewöhnlich streng hierarchisch: vom Sektenführer über seine Statthalter zu den Unterführern bis ganz nach unten ….” (S. 102-103)
Wir lehnen jegliche Vorschrift betreffend Kleidung und Essen strengstens ab, auch der Schlaf hängt vom individuellen Bedarf ab. Rituale sind unserem Wesen absolut fremd. Es gibt keine Hierarchie und deshalb auch keine “Befehlskette”.
Vieles von dem, was Hassan unter diesem Punkt anführt findet sich jedoch in den Regeln katholischer Orden. Es ist hier aber nicht der Platz, das im Detail nachzuweisen.
b) Gedankenkontrolle
“Gedankenkontrolle … beinhaltet eine so gründliche Indoktrination der Mitglieder, daß diese die Dogmatik der Gruppe verinnerlichen, ein neues Sprachsystem annehmen und Gedankenstopp-Techniken anwenden, um ihren Geist zentriert zu halten. Um ein gutes Mitglied zu sein, muß der einzelne lernen, seine eigenen Gedankenprozesse zu manipulieren.
… Alles Gute ist im Sektenoberhaupt und in der Gruppe verkörpert, alles Schlechte in der Außenwelt…
… Eine totalitäre Sekte hat typischerweise ihre eigene Sondersprache, also spezielle Wörter und Ausdrücke, die mit bestimmten, von der Dogmatik vorgegebenen Begriffsinhalten besetzt sind …
… Die wohl geläufigste und effektivste Methode, um die Gedanken der Anhänger zu kontrollieren, sind Gedankenstopp-Rituale. …
…. Die diversen Gruppen verwenden unterschiedliche Gedankenstopp-Techniken: konzentriertes Beten, lautes oder leises Chanten, Meditieren, Zungenreden, Singen oder Summen. …” (S. 105 107)
Es stimmt, daß wir uns die Lehre der Bibel verinnerlichen, dadurch, daß wir sowohl persönlich viel in der Bibel lesen als auch in der Gemeinschaft viel darüber sprechen. Es ist wohl eine gemeinsame Überzeugung aller sich christlich nennenden Gemeinschaften, daß das Lesen der Bibel sich nur positiv auf einen Menschen auswirken kann.
Wir wollen die Bibel aber gerade mit unserem Verstand studieren, nicht aber, um den Verstand auszuschalten. Es geht nicht um blindes Wiederkäuen sondern um Durchdenken, das zu einem verantwortungsvollen Tun führt.
Es stimmt auch, daß sich die biblische Sprache auch in unserer Sprache niederschlägt. Wir wollen aber bewußt keine Sondersprache entwickeln
Das Gute sehen wir einzig und allein in Gott und in seinem Sohn Jesus Christus verkörpert. Wir wollen uns als erlöste Sünder immer mehr seiner Vollkommenheit annähern, in dem Bewußtsein, daß wir diese Vollkommenheit auf dieser Erde nie völlig erreichen werden,
Unser Gebet ist keine Gedankenstopp-Technik sondern persönliches Gespräch mit Gott. Jede Form von ritualistiertem Gebet lehnen wir ab. Die Zungenrede war eine Gabe Gottes für die erste christliche Generation. In den Gruppen, die sie heute praktizieren, ist sie vielfach eine Flucht in Gefühle.
Herr Kluge wirft uns später ja gerade das Gegenteil von der Flucht in die Gefühle vor, nämlich: Flucht in die Rationalität. Rationalität und Gedankenstopp passen nur in einem irrationalen Gedankengebäude zusammen.
Wie bekämpft Herr Kluge das Gedankenstopp-Ritual des Rosenkranzes in seiner eigenen Organisation?
c) Gefühlskontrolle
“Die Gefühlskontrolle … zielt darauf ab, das Gefühlsspektrum einer Person zu manipulieren und einzuengen. Schuld und Angst sind essentielle Werkzeuge, um Menschen unter Kontrolle zu behalten. Schuld dürfte wohl das wichtigste emotionale Druckmittel sein, um Konformität und Gehorsam zu erzeugen….
Loyalität und Hingabe sind die am meisten geschätzten Gefühle … Sie dürfen niemals einen Führer kritisieren, immer nur sich selbst.
Viele Gruppen halten die zwischenmenschlichen Beziehungen unter totaler Kontrolle …
Oftmals werden die Leute gezielt in einem inneren Ungleichgewicht gehalten: in der einen Minute gelobt, in der nächsten beschimpft …
Das Bekennen früherer Sünden oder falscher Einstellungen ist ebenfalls ein mächtiges Instrument zur Gefühlskontrolle. Natürlich wird die alte Sünde … nur selten wirklich vergessen oder vergeben …
Die wirksamste Technik zur Gefühlskontrolle ist die Erzeugung irrationaler Ängste … Die Leute werden so konditioniert, daß sie bei dem Gedanken, die Gruppe zu verlassen, eine panische Reaktion entwickeln: Schweißausbrüche, Herzrasen … Für ein indoktriniertes Mitglied ist es praktisch unmöglich, sich vorzustellen, daß es außerhalb der Gruppe sicher sein könnte…” (S. 107 – 109)
Schuld ist eine Realität im Leben aller Menschen. Wird die Schuld nicht bereinigt, führt sie zu Ängsten, einfach deswegen, da uns die Schuld von Gott und den Mitmenschen trennt und uns letztlich von uns selbst entfremdet. Deswegen ist gerade die Vergebung und die Befreiung von Schuld und Angst ein wesentlicher Punkt des Christentums. Schuld wird nicht verdrängt sondern bekannt und vergeben. In der Kraft Gottes erfahren wir die Befreiung und können mit einem guten Gewissen leben. Brüderliche Ermahnungen dienen nicht der Kontrolle sondern sind eine Hilfestellung zur Befreiung von Schuld. Wir sind verpflichtet einander zu ermahnen, egal ob der Sünder eine Woche oder zwanzig Jahre in der Gemeinde ist. Das Ziel christlicher Ermahnung ist Festigkeit und Stabilität im Guten. Lob und Tadel ergänzen einander. Erst wenn Lob und Tadel von der konkreten Lebenssituation getrennt werden, werden sie zu Mitteln psychischer Manipulation, wenn etwa Lob zur Bestärkung unethischen Handelns und Tadel zum Einreden von Schuldgefühlen dient.
Christen sind dazu zusammen, einander zu ermahnen und zu ermuntern (1. Thess 5,11). Beschimpfungen haben in der Gemeinde Gottes ohnedies nichts verloren.
Niemand kann auf Dauer nur mit dem Motiv der Angst in der Gemeinde Gottes bleiben. Nur die Liebe zu Gott ist die Motivation, die uns in der Gemeinde hält.
Gewiß gibt es in der Bibel scharfe Warnungen vor dem Abfall. Von den inspirierten Autoren dürfen wir aber annehmen, daß es ihnen nicht um das ging, was Hassan Gefühlskontrolle nennt, sondern um aufrichtige Warnung vor einer effektiven Gefahr. Deshalb warnen auch wir vor dem Abfall, aber immer in dem Bewußtsein, daß vor allem die Liebe geweckt werden muß.
d) Informationskontrolle
“In vielen totalitären Sekten haben die Mitglieder praktisch keinen Zugang zu sektenunabhängigen Zeitungen und Zeitschriften, zu Fernsehen und Radio….
Die Informationskontrolle erfaßt auch sämtliche Beziehungen. Die Mitglieder dürfen miteinander niemals über etwas sprechen, was den Führer, die Doktrin oder die Organisation kritisiert. Die Mitglieder müssen sich gegenseitig bespitzeln …Frisch Konvertierte dürfen nicht ohne Aufsicht eines älteren Mitglieds miteinander sprechen …
Informationskontrolle wird in diesen Organisationen auch dadurch erreicht, daß verschiedene Ebenen von Wahrheit geschaffen werden. Sektenideologien bestehen aus Doktrinen für die Außenwelt und Doktrinen für die Insider …” (S. 110 – 111)
In unserer Gemeinde finden wir Literatur der verschiedensten Gruppen und Organisationen. Es gibt keinerlei Beschränkungen was das Lesen von Literatur betrifft. Daß ein Christ Zeitschriften und Bücher unsittlichen Inhalts meidet, versteht sich wohl von selbst. Kritik ist nicht verboten, sondern erwünscht, nur konstruktiv soll sie sein. In unserem Gemeinschaftsleben ist ein großer Bereich für die persönliche Begegnung zwischen den Geschwistern vorgesehen, auch zwischen Geschwistern, die jung im Glauben sind.
Wir kennen nur ein und die selbe Wahrheit, die wir in der Gemeinschaft miteinander teilen und auch der Außenwelt mitteilen.
Was Informationskontrolle wirklich ist, können wir in dem schon oben angeführten Abschnitt der Regel des “hl.” Benedictus nachlesen:
“Keiner nehme sich heraus, einem anderen zu erzählen, was immer er außerhalb des Klosters gesehen oder gehört hat; denn dies richtet großen Schaden an. Wagte es aber doch einer, so verfalle er der in der Regel festgesetzten Strafe. Die gleiche Strafe treffe jenen, der sich herausnimmt, die Umfriedung des Klosters zu verlassen oder irgendwohin zu gehen oder irgend etwas, und sei es auch noch so unbedeutend, ohne Auftrag des Abtes zu tun.” (“Die Regel des hl. Benedictus”, 67. Kapitel: Die großen Ordensregeln S. 255)
Jeder Leser möge selbst beurteilen, wo hier das totalitäre System zu finden ist.