zu “Moralvorstellungen”

“Und seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung des Sinnes, daß ihr prüfen mögt, was der Wille Gottes ist: das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.” (Römer 12,2)

Wir richten unser Leben nach Christus aus, der die Norm unseres Lebens ist. Sein Wille durchdringt alle Aspekte unseres Lebens, aber nicht durch die Aufstellung eines Kataloges moralischer Richtlinien, sondern weil wir in ihm leben, sehen wir, wie alle Bereiche unseres Lebens von seinem Willen, der Heiligung heißt, durchdrungen werden.

Unser Leben ist nicht eine beständige Flucht vor Sünde, sondern eine beständige Hinwendung zu Gott. Wir haben keinen formalistischen und kasuistischen Verhaltenskodex, dem wir Genüge leisten müssen. Aber da wir immer, gerade auch im Alltag, als Christen leben, wollen wir auch bei alltäglichen Verrichtungen Gottes Willen in die Praxis umsetzen.

Gerade das im vorherigen Artikel erwähnte Beispiel der Friseuse zeigt, daß vieles die Entscheidung des Einzelnen ist, und nicht die sture Befolgung eines vorgesetzten Verhaltenskodexes.

Alkohol und Nikotin abzulehnen, die jedes Jahr Millionen Menschen in Krankheit und Tod stürzen und unvorstellbares Leid bewirken, ist wohl eine Selbstverständlichkeit für jeden Menschen, der sich seiner sittlichen Verantwortung bewußt ist.

Geschwister, die früher rauchten, erlebten mit ihrer Hinwendung zu Gott die Befreiung von der Zigarette und sehen das Nichtrauchen nicht als ein nur mit großer Überwindung erfüllbares Gebot.

Was den Alkohol betrifft, so widerspricht die Bibel zwar nicht einem mäßigen Weingenuß. Doch sehen wir gerade in unserer Zeit viele Gründe, auf Alkohol ganz zu verzichten. Einerseits sind wir häufig mit Autos unterwegs. Für jeden Autofahrer sollten 0,0 Promille selbstverständlich sein. Andererseits wurde in der heutigen Zeit der Alkohol zu einem gesellschaftlichen Problem nie dagewesenen Ausmaßes. Wir wollen gerade auch den Menschen, die vom Alkohol abhängig waren, eine Umgebung bieten, die ihnen keinerlei Versuchung zu Rückfällen verursacht. Überdies gibt es heute ein reiches Angebot von Fruchtsäften zusätzlich zu den Kräutertees, die uns die Natur überreich darbietet, das jemandem, der nicht nur Wasser trinken will und vielleicht Milch nicht verträgt, genug Alternativen bietet.

Was andere Genußmittel (wie Kaffee) betrifft, so ist deren Gesundheitsschädlichkeit wohl erwiesen und wird nicht nur “von Medizinern als ungesund dargestellt.” Wenn ich meinen Schöpfer liebe, bewahre ich seine Schöpfung und stelle ihm meinen Leib ganz zur Verfügung.

Was Herrn Kluges Bemerkung über das Waschen betrifft, so zeigt sich, wie er einfach alles heranzieht, um ein rigoristisches Gebotssystem in unsere Gemeinschaft hineinzulesen. Es ist sowohl traurig als auch lächerlich, daß wir betonen müssen, daß es keinerlei “gruppeninterne” Norm der erlaubten Waschfrequenz gibt. Selbst wenn das sachlich zutreffende Zitat, daß “zuviel Waschen der Haut schade” tatsächlich einmal gefallen sein sollte, ist es trotzdem lächerlich, aus diesem Zitat eine Vorschrift entnehmen zu wollen. Man kann hier viel mehr über Herrn Kluges Vorurteile lernen als über unsere Waschgewohnheiten.

Wieder einmal können wir aber etwas, das unserer Gemeinschaft völlig ferne ist, in der Regel einer Teilorganisation von Gerald Kluges “Kirche” finden:

“Man gebe den Kranken Gelegenheit zu Bädern, sooft es für sie förderlich ist; den Gesunden aber und besonders den jüngeren, gestatte man es seltener. (Regel des heiligen Benedictus”, 36. Kapitel in: Die großen Ordensregeln, S. 226)

Zum “Anzweifeln von Lehraussagen”:

Die richtige Lehre (und nicht irgendwelche psychologischen Manipulationen) ist die Grundlage jeder christlichen Gemeinde. Wer diese Grundlage in Frage stellt, stellt sich außerhalb der Gemeinschaft. Die Gemeinde, will sie Gemeinde Gottes bleiben, hat an der von Gott geoffenbarten Lehre festzuhalten. Sicher muß man schwachen Geschwistern mit viel Geduld begegnen. Aber wer die biblische Lehre nicht akzeptiert, hat sich von der Gemeinde getrennt. Wenn wir diesen Grundsatz aufgeben, geben wir unsere Identität als christliche Gemeinde auf. Der Grundsatz, daß man nur mit der richtigen Lehre gerettet werden kann, ist ein allgemein christlicher und findet sich auch in zahlreichen offiziellen Lehrdokumenten allgemein anerkannter “Kirchen” wie z. B.:

“Wer da selig werden will, der muß vor allem den katholischen Glauben festhalten; wer diesen nicht in seinem ganzen Umfange und unverletzt bewahrt, wird ohne Zweifel ewig verlorengehen.” (Athanasisches Glaubensbekenntnis, Neuner-Roos 915 Mit “katholischem Glauben” ist in diesem Zusammenhang ausschließlich der richtige Glaube in Bezug auf die Dreieinigkeit und die Person Jesu gemeint. Wir stimmen dem zitierten Satz im Zusammenhang des konkreten Dokumentes zu. Die richtige Lehre über die Person Jesu und die Dreieinigkeit ist für das Christentum grundlegend und unverzichtbar.)

In der Apostolischen Konstitution Pius’ XII. “Munificentissimus Deus” aus dem Jahre 1950 reichen sogar schon bewußte Zweifel an der Lehre der Aufnahme Mariens in den Himmel zum Abfall:

“Wenn daher, was Gott verhüte, jemand diese Wahrheit, die von Uns definiert worden ist, zu leugnen oder bewußt in Zweifel zu ziehen wagt, so soll er wissen, daß er vollständig vom göttlichen und katholischen Glauben abgefallen ist. (Neuner-Roos 487)

Bei den Katholiken reichen also schon bewußte Zweifel an einer unbiblischen Lehre zum Abfall! Auch wenn sie in der Praxis jeden Ungläubigen und Verbrecher akzeptieren (so war etwa Hitler bis zu seinem Tod Mitglied der katholischen “Kirche”, ohne daß er ausgeschlossen worden wäre), finden wir in ihren offiziellen Lehrdokumenten eine Position, die Herr Kluge bei allen anderen Organisationen zurecht als sektiererisch verurteilen würde. Gelten bei seiner eigenen Organisation andere Maßstäbe?

Daß die bewußte Wiederholung schwerer Sünden Grund für einen Ausschluß sein kann, ist keine rigoristische Vorschrift, sondern Jesus selber gebietet in Mt 18,15-17, daß hartnäckige Sünder ausgeschlossen werden müssen. Näheres dazu wurde aber schon weiter oben (unter Gemeindebild) ausgeführt.

Unser Kritiker beruft sich in seiner Darlegung unserer Stellung zur Sexualität auch auf die Aussagen eines “Mitglieds”, daß “die Enthaltsamkeit wegen des nahen Weltendes geschehe”, um danach aber einzuschränken, daß dies “wohl nicht die allgemeine Auffassung der Gruppe” sei. Da wir, seit wir einander gefunden haben, die Erwartung der baldigen Wiederkunft stets als grundsätzlich der Bibel widersprechende Lehre abgelehnt haben, können wir definitiv ausschließen, daß jemals jemand der Geschwister diese Aussage getroffen hat. Es bleibt daher nur mehr die Möglichkeit, daß Herr Kluge entweder selber ein Märchen erfunden hat oder daß er leichtfertig die Verleumdungen anderer geglaubt hat. Das unter “Theologen” allgemein verbreitete Vorurteil, daß viele der ersten Christen wegen der Naherwartung des Weltendes ehelos blieben, hat ihn (oder seine Quelle) wohl zu dem irrigen Schluß geführt, daß unsere Hochschätzung der Ehelosigkeit die Ursache in der Naherwartung hat. Dieser Schluß ist jedoch ein Trugschluß. Auch bei den ersten Christen war es nicht die Naherwartung, die sie zur Ehelosigkeit motiviert hat, sondern die größere Verfügbarkeit für den Einsatz im Reich Gottes. Dieser Einsatz ist auch unsere einzige Motivation für die Ehelosigkeit. Jede gnostische Sicht, die in der Materie oder in der Sexualität etwas Negatives sieht, ist mit dem Neuen Testament unvereinbar.

Wir betrachten die Sexualität als einen Teil der guten Schöpfung Gottes, der Gott ihren Platz in der Ehe (und nur dort) gegeben hat. Jede vor- oder außereheliche geschlechtliche Beziehung darf in einer christlichen Gemeinde nicht geduldet werden. Im Rahmen einer christlichen Ehe ist die Sexualität nicht ein “zu vermeidendes Geschehen”, sondern der natürliche Ausdruck der gegenseitigen Liebe der Ehepartner. Auf der Basis der gottgewollten Liebe ist sie auch nicht egoistisch, sondern Hingabe an den Partner, mit dem man ein Fleisch ist. Der Satz, daß Sexualität “ein Geschehen” sei, “das sich nur zwischen Menschen abspielt, wo Gott keine Rolle spielt”, ist unrichtig und gibt nicht unsere Einstellung wieder.

Richtig hingegen ist Herrn Kluges Feststellung, “daß es derzeit wichtigere Dinge zu tun gibt.” allerdings nicht nur “derzeit”. Wir finden im NT sowohl bei Paulus als auch bei Jesus klare Aussagen über den Wert der Ehelosigkeit (Mt 19,12; 1. Kor 7,7-8.17-24.25-40). Diese Worte sind auch unsere Begründung für die Hochschätzung der Ehelosigkeit. Es ist nur eigenartig, daß gerade ein katholischer Priester, der selber diese Lebensweise gewählt hat, so wenig Verständnis dafür aufbringt.

” sondern wie Leute, die die Keuschheit, ohne die Ehe zu verurteilen, anerkennen und suchen und vorziehen, nicht wie etwas Gutes (im Vergleich zu) etwas Bösem, sondern wie etwas Besseres (im Vergleich zu) etwas Gutem. Denn wir verachten die Ehe nicht, doch wir verzichten auf sie; wir schreiben die Keuschheit nicht vor, doch wir raten sie an, indem wir auch das Gute bewahren, wenn auch jeder seinen Kräften entsprechend das Bessere sucht; doch wir verteidigen die Ehe dann entschlossen, wenn sie unter dem Vorwand der Besudelung gehässig angeklagt wird mit dem Ziel, den Schöpfergott zu vernichten, der die Ehe aufgrund ihrer Würde im Hinblick auf das Wachstum des Menschengeschlechts ebenso gesegnet hat, wie er die Schöpfung als Ganzes im Hinblick auf ihre richtige und gute Nutzung gesegnet hat “
(Tertullian, Gegen Marcion I, 29,1-4)

Zum Thema “Hobbys”, auf das Herr Kluge immer wieder zurückkommt, wurde schon eingangs (zu “Gottesbild”) Stellung bezogen. Was hätte wohl Paulus oder gar Jesus auf die Frage nach seinen Hobbys geantwortet?

Unsere “Lebenseinstellung” ist nicht die, die uns vorgeworfen wird. Wir brauchen uns nicht selbst zu beweisen. Es geht uns auch nicht um irgendein Überlegenheitsgefühl. Wir streben danach, ständig den Willen Gottes zu tun. Aber trotzdem ist unser Leben nicht ein ständiges Hinterfragen unserer Handlungsweise in dem Sinn, wie Herr Kluge es zu wissen meint. Es geht uns nicht darum, einem ausgeklügelten Sittenkodex zu entsprechen, an dessen Details wir ständig feilen. Wir wollen vielmehr in jeder Situation Gott gehorchen, frei von formalistischen Geboten, aber in einem Leben, in dem Heiligkeit nicht nur ein Schlagwort ist, sondern eine Realität, die sich in allen Aspekten des Lebens äußert.