zu “kaum Privatsphäre”

“So, in Liebe zu euch hingezogen, waren wir willig, euch nicht allein das Evangelium Gottes, sondern auch unser eigenes Leben mitzuteilen, weil ihr uns lieb geworden wart.” (1. Thessalonicher 2,8)

Gott ruft uns zur Gemeinschaft. Das Beispiel Jesu verpflichtet uns, das Leben für die Brüder hinzugeben (1. Joh. 3,16). Diese Lebenshingabe besteht im gegenseitigen Dienen, im Dasein füreinander.

Herrn Kluges Vorwurf “Gemeinschaft statt Privatsphäre” verkennt das Wesen christlicher Gemeinschaft. Niemand würde die Fragestellung “Familie statt Privatsphäre” als berechtigt sehen, da das Familienleben als Teil der Privatsphäre betrachtet wird. Unser Familienleben ist das Gemeindeleben. Wir teilen unser Leben mit den Geschwistern, nicht mit unbekannten, undurchschaubaren Institutionen.

Jesu “Privatleben” war das Zusammensein mit den Jüngern. Paulus wurde den jungen Christen “zart, wie eine stillende Mutter ihre Kinder pflegt.” (1. Thess 2,7). So verbringen wir unser Privatleben mit den Geschwistern, die uns durch die gemeinsame Nachfolge Jesu vertraut und lieb geworden sind.

Der Unterschied zu einer “natürlichen” Familie liegt in der unterschiedlichen Basis. Nicht die gemeinsame Abstammung verbindet uns in der Gemeinde, sondern der gemeinsame Glaube. Durch diese tiefere Basis ist auch das gemeinsame Leben tiefer als in einer “normalen” Familie.

Die alles dominierende Beziehung im Leben des Christen ist die Beziehung zu Gott, die sich auf alle anderen Beziehungen prägend auswirkt. Eine Beziehung, in der nicht Gott die Mitte ist, verliert an Bedeutung. Die Beziehungen, die von Gott geprägt sind, vertiefen sich.

Die Wiederholung der Verleumdung, daß “Gebet oder Bibellesen im privaten Rahmen unerwünscht sei”, ändert nichts an deren Unrichtigkeit. Die Gemeinde lebt von der Beziehung jedes einzelnen zu Gott. Der einzelne wiederum wird im Gemeindeleben in seiner persönlichen Hinwendung zu Gott bestärkt. Wenn bei jemandem das Interesse an der Bibel zu klein ist, kann auch die Gemeinde sein geistliches Leben nicht aufrecht erhalten. Daher ist persönliches Gebet und Bibellesen eine unverzichtbare Basis des geistlichen Lebens des einzelnen als auch der Gemeinde.

Herr Kluge gewann von uns einen “lieblosen, unbarmherzigen und fanatischen Eindruck” und stellte fest, daß “die Gruppe nach außen recht kalt wirke”. Eindrücke sind immer subjektiv und hängen auch stark von der Erwartungshaltung des Beobachters ab. Andere Menschen gewannen einen anderen Eindruck. Überdies widerspricht sich dieser Eindruck mit dem Vorwurf des “love bombing”. Wer objektiv prüft, bleibt von “Eindrücken” unbeeindruckt und betrachtet Lehre und Leben auf der Basis der Bibel.

Es ist sicher so, daß wir den Menschen nicht nach dem Mund reden. Wir schweigen nicht, wenn es darum geht, unbiblische Lehren und unbiblische Lebensgestaltung aufzuzeigen. Gerade dadurch weisen wir auch auf das Leben hin, zu dem uns Jesus berufen hat.

Die “herzliche Wärme”, die es “innerhalb der Gruppe gibt”, wollen wir gerne mit jedem Menschen teilen. Aber dazu bedarf es der nötigen Basis. Für uns sind die Begriffe “Bruder” und “Schwester” keine religiösen Floskeln, sondern täglich erfahrene Realität, die wir einander auch in körperlicher Weise ausdrücken. Formale Höflichkeit ist uns fremd, nicht aber der Respekt vor der Persönlichkeit des Bruders.

Wie anderswo (früher in der Praxis, heute nur mehr in den Schriften “heiliger” Ordensgründer) mit der Privatsphäre umgegangen wurde, möge ein kurzes Beispiel illustrieren:

“Für die Betten genüge eine Matte, ein grobes Tuch, eine Wolldecke und ein Kopfkissen. Diese Betten hat der Abt öfters zu durchsuchen, um nachzusehen, ob sich nicht etwa Eigentum darin finde. Sollte sich bei einem etwas finden, das er nicht vom Abte erhalten hat, dann werde er sehr strenge bestraft.” (“Die Regel des hl. Benedictus”, 55. Kapitel: Die großen Ordensregeln S. 242)